Wohnungsmarkt in Nidwalden:
Es braucht Massnahmen «jetzt, oder eigentlich schon seit Jahren»

Von der Baubranche bis zum Mieterverband: Alle kritisieren die Zustände auf dem Bau- und Wohnungsmarkt. In Nidwalden steigen die Miete immer weiter, dafür werden die Wohnungen aber auch grösser.

Wohnungsmarkt in Nidwalden:
Es braucht Massnahmen «jetzt, oder eigentlich schon seit Jahren»

Von der Baubranche bis zum Mieterverband: Alle kritisieren die Zustände auf dem Bau- und Wohnungsmarkt. In Nidwalden steigen die Miete immer weiter, dafür werden die Wohnungen aber auch grösser.

Was bedeutet mir diese Geschichte?

Selbst auf Wohnungssuche wollte ich die Gründe für den angespannten Wohnmarkt verstehen. Denn mein Eindruck war: Unterschiedliche Interessensträger finden jeweils unterschiedliche Gründe. Und deshalb war es mir ein Anliegen, einen fundierten Überblick zu bieten.

Frisch in der Redaktion bin ich auf Wohnungssuche in der Region, doch bisher gleicht das der Suche nach der letzten Cola in der Wüste. Bekäme ich eine freie, bezahlbare und schöne Wohnung angeboten, würde ich glauben, es sei eine Fata Morgana. Doch was sind eigentlich die Gründe für die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt und was für Lösungsansätze gibt es?

Eine Binsenweisheit ist mittlerweile: Wohnraum wird teurer und an zentralen Lagen für immer mehr Menschen unerschwinglich. Schweizweit sind in den Jahren 2000 bis 2021 die Mietpreise um 30 Prozent gestiegen, während der Reallohn nur um 25 Prozent zunahm, so ein Bericht des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO). Demgegenüber steht laut Bundesamt für Statistik (BFS) eine Baubranche, die seit 2018 an Schwung verliert.

Der Aktionsplan von Guy Parmelin bewegt Nidwalden

In diesem Kontext versuchte Bundesrat Guy Parmelin im März mit einem «Aktionsplan gegen die Wohnungsknappheit» ein Zeichen der Tatkräftigkeit zu setzen. Der Nidwaldner Baumanager Bruno Duss reagierte prompt und forderte, dass Nidwalden es dem Bund gleichtut und an einem runden Tisch versucht, Lösungen zu finden.

Denn auch in Nidwalden ist der Wohnungsmarkt angespannt. Mit einem durchschnittlichen Preis von 1495 Franken belegte Nidwalden im Jahr 2022 schweizweit Platz 5 der teuersten Mieten.

Die Forderung von Baumanager Bruno Duss löste dann auch sogleich Reaktionen aus, berichtet er. Baudirektorin Therese Rotzer-Mathyer hätte sich postwendend mit ihm ausgetauscht. Und nun hat der Kanton wichtige Vertreter der Branche zu einer Informationsveranstaltung im Mai eingeladen, an der die Baudirektion, die Landwirtschafts- und Umweltdirektion sowie die Volkswirtschaftsdirektion zur Thematik orientieren werden.

Langwierige Prozesse in der Raumplanung

Ein Austausch ist sicherlich angezeigt, denn Baumanager Bruno Duss sieht eine intensivere Bauaktivität, die mehr Wohnraum schaffen könnte, verhindert – unter anderem durch gesetzliche Bestimmungen in der Raumplanung. So hätte die Teilrevision des Planungs- und Baugesetzes von 2014 zwar teilweise zu Verbesserungen geführt, aber auch zu unnötigen Verschärfungen. Duss führt aus, dass die neu eingeführte Überbauungsziffer, die die Grösse der bebaubaren Fläche bestimmt, bei kleinen Parzellen und in Hanglagen nun nur noch deutlich kleinere Wohnflächen zulasse. Weiterhin würden durch die neuen Bauvorschriften nun an Hanglagen «Bauklötze» gegenüber terrassierten Gebäuden bevorzugt werden.

Unterdessen, so berichtet es Markus von Holzen vom Nidwaldner Amt für Raumentwicklung, sind die meisten Gemeinden noch dabei, das Gesetz von 2014 mit den neuen Bauungsziffern bis Ende diesen Jahres umzusetzen. Sobald dies abgeschlossen sei, könnten die kommunalen Siedlungsleitbilder aktualisiert werden, die dann als Grundlage für neu angepasste Überbauungsziffern dienen würden. Mit einer solchen Überarbeitung könnten in der Zukunft markante Schritte in Richtung Verdichtung unternommen werden. In der Zwischenzeit, gebe es sicherlich Bauherren, die mit ihren Projekten auf eine möglicherweise vorteilhafte Revision warten, vermutet von Holzen.

Nidwaldner haben immer grössere Wohnungen

Doch Markus von Holzen betont auch, dass zu wenig Wohnungsbau nicht die alleinige Ursache für die angespannte Lage sein kann. Denn anders als in der gesamten Schweiz ist der Wohnungsbau in Nidwalden nicht eindeutig rückläufig. Nach einem starken Einbruch zwischen 2017 und 2019 wurde in den nachfolgenden Jahren mit bis zu 350 Wohnungen pro Jahr wieder mehr als zuvor gebaut. Insgesamt ist laut BFS der Wohnungsbestand von 2012 bis 2021 um 13 Prozent gewachsen und damit stärker als die Bevölkerung, die lediglich um 7 Prozent anwuchs.

Doch trotzdem zeigt der Nachfragemonitor des BWO in Nidwalden eine sehr angespannte Wohnungsmarktsituation an. Konkret bedeutet das, dass weniger als 2 Prozent der Wohnungen inseriert sind und das für weniger als 19 Tage.

Erklären lässt sich die angespannte Situation trotz ansteigendem Wohnungsbestand damit, dass laut den Zahlen des BFS immer mehr Wohnraum in Anspruch genommen wird. Zwischen 2012 und 2022 wuchs die Anzahl der Haushalte überproportional im Vergleich zum Bevölkerungswachstum. In diesem Zeitraum gab es einen Zuwachs von 7 Prozent mehr Platz für Nidwaldner, was ungefähr einer Tischtennisplatte entspricht. Mit 50,6 Quadratmetern pro Person stand Nidwalden 2022 im kantonalen Vergleich auf Platz 5.

Dabei ist nicht ausser Acht zu lassen, dass Nidwalden eine Spitzenreiter-Rolle im kantonalen Vergleich der Vermögenskonzentration einnimmt, wie ein Bericht des Bundesrates über das Jahr 2018 offenlegt. Es steht also auch viel Geld für Wohnraum zur Verfügung.

Wohnraum ist falsch verteilt

 Die geringe Wohndichte in Nidwalden wurde in der Nidwaldner Politik bereits als hinderlicher Faktor für mehr bezahlbaren Wohnraum identifiziert.

Der Buochser Landrat Matthias Christen (GLP) hatte deshalb zusammen mit dem Oberdorfer Landrat Christof Gerig (Mitte) im Februar eine Motion für die Abschaffung des Unternutzungsabzugs eingereicht. Diese steuerliche Praxis erlaubt Vergünstigungen, wenn man in den eigenen vier Wänden Wohnraum nicht nutzt, und setze damit falsche Anreize. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass Menschen auch dann nicht in kleinere Wohnungen umziehen, wenn sie dies eigentlich wünschen, da neuer Wohnraum teurer ist.

Christof Gerig beschreibt diesen «Lock-in-Effekt» und zeichnet das Bild von Senioren, die in grossen Wohnungen oder Häusern vereinsamen, während junge Familien verzweifelt nach bezahlbaren Wohnungen suchen: «Daher ist es gerade in Anbetracht der Alterung der Gesellschaft wichtig, kleinen, zentralen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wie es etwa die Fliegersiedlung in Stans erfolgreich umgesetzt hat.»

Es ist jedoch nicht nur die hohe Nachfrage nach Wohnungen, die die Preise in die Höhe treibt, es sind auch die Vermieter. Mario Stübi, Präsident des Mieterverbandes der Zentralschweiz, berichtet, dass sie vermehrt erleben, wie notwendige energetische Sanierungen von Gebäuden ausgenutzt werden, um eine totale Sanierung zu veranlassen, die eine unverhältnismässige Verteuerung für die neuen Mieter zur Folge hat. Um dies zu verhindern, fordert er, dass gesetzliche Regelungen geschaffen werden müssten. In Nidwalden bestand bis 2018 eine entsprechende Regelung, die eine Offenlegung des Mietzinses bei Mieterwechseln erzwang, diese wurde jedoch abgeschafft.

Forschung für bezahlbaren Wohnraum – aber die Politik entscheidet

Ausserhalb von Wirtschafts- und Verbandsinteressen könnte das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) Lösungen zur Bekämpfung der Wohnungsnot liefern. So vielfältig und breit die Herausforderungen des Wohnungsmarktes sind, so sind es auch die gesetzten Schwerpunkte seines Forschungsprogrammes: Sie reichen von der Analyse der politischen Rahmenbedingungen, über ressourcenschonendes und klimaresilientes Wohnen, bis hin zur Anpassung des Wohnraumes an veränderte Bedürfnisse, wie den von Christof Gerig angesprochenen demografischen Wandel.

Einfache Antworten findet man in der Wohnpolitik, die auch immer Wirtschafts-, Energie-, Sozial- und Verkehrspolitik ist, wohl kaum. Und so resümiert BWO-Bereichsleiterin Marie Glaser, bei der Vorstellung des neuen Forschungsprogrammes, über die bisherigen Erkenntnisse des BWO: «Man hätte alle Massnahmen zur Hand, um politisch zu agieren, aber am Schluss ist es nicht das BWO das entscheidet, sondern die Politik.» Auch Mario Stübi vom Mieterverband ist überzeugt, dass es konkrete Massnahmen vonseiten der Politik braucht, und zwar «jetzt, oder eigentlich schon seit Jahren».

Angesichts der vielen Herausforderungen, der unterschiedlichen Interessen und der langsamen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt werde ich aktuell auf Glück bei meiner Suche nach einer Cola in der Wohnwüste hoffen müssen.